Der Bedarf unserer Grundversorgung für eine informative als auch kritische Berichterstattung war noch nie so wichtig wie in Zeiten von derartigen vielschichtigen Krisen wie Covid-19, Energie- und Wirtschaftskrise sowie Ukraine-Krieg. Das Krisenportfolio ist erweitertet um den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel, der damit einen noch nicht absehbaren weltweiten Konflikt hervorrufen wird. Und in diesem Zusammenhang kam es dazu, dass die renommiertesten Medien dieser Welt hoch sensible Falschmeldungen verbreitet haben. Wie kann es dazu kommen?

Bei all diesen Krisen zeigt sich somit verstärkt, wie wichtig es ist, dass eine Berichterstattung auf intensiver Recherche beruhen muss und nicht durch Ideologie ersetzt werden darf. Dabei ist genau das Gegenteil innerhalb Medienwelt zu beobachten, der durch ein Brain Drain der Branche selbst verursacht wurde. Verlage haben ihre Redaktionen verkleinert, Fachgebiete aufgelöst - der Qualitätsanspruch der eigenen Leitmedien wurde erheblich gemindert. Hierzu hat erst kürzlich Chefredakteur Michael Bröcker ausgeführt, dass „wenn wir Journalisten eine Lehre ziehen können aus den Debatten rund um den Gaza-Konflikt und Corona, den Krieg gegen die Ukraine und das Heizungsgesetz, dann doch diese: Wir werden als unaufgeregte Aufklärer gebraucht, nicht als Einheizer und Aktivisten.“

Derartige Gedanken sind besonders anhand der Medienlandschaft in Berlin erkennbar. Es ist faszinierend zu sehen, welche Entwicklungen hier vorangetrieben werden – wird dies einen rasanten Umbruch innerhalb der sog. „vierten Gewalt“ hervorrufen können? Immerhin liegt die letzte große erfolgreiche Einführung eines Nachrichtenmagazin schon 30 Jahre zurück: Fokus!

Mit „The Pioneer“ und ab 2024 auch „Politico“ unter der Federführung von Axel Springer besitzt das deutschen Medienschwergewicht künftig zwei der einflussreichsten politischen Newsletter in Deutschland, die durch deep dive Journalismus mit gründlichen Analysen bestimmter Themen punkten wollen.

„Politico“ ist gerade in den Vereinigten Staaten zum Leitmedium des politischen Establishments avanciert, hat den Sprung nach Brüssel geschafft und drängt jetzt nach Deutschland. Daneben gewinnt auch „Table Media“ unter Sebastian Turner mit seinem deep journalism eine hochspezialisierte Informationsplattform immer mehr an Sichtbarkeit, die sich auf einzelne Domänen konzentriert und für Entscheider relevante Informationen zusammenträgt. „Table Media“ will ebenfalls stärker mitmischen. Derartiger professioneller Pioniergeist setzt mit seiner Digital-Only-Strategie neue Maßstäbe. Ziel ist es, nachhaltige Qualität im Journalismus mit neuen digitalen Formaten zu sichern und auszubauen. Fokus ist das Handwerk.

Alle drei Unternehmen und Konzepte sind wegweisend und veranschaulichen, wie neugedachter Journalismus in Deutschland an Fahrt aufnimmt. Die Veränderungen in der Medienlandschaft zeigen, dass dieser Ansatz, der sich auf gründliche, facettenreiche Berichterstattung konzentriert, an Bedeutung gewinnt. Ein bunter Strauß an thematischen Newslettern, Podcasts und Videoformaten schafft eine Tiefe in der Berichterstattung, die sich vor allem an die Entscheider der Republik wenden soll. Derartige Bestrebungen sind mehr als erforderlich, um „Erregerjournalismus“ (Bröcker) zu minimieren.

Es wird erwartet, dass „Politico“ ab 2024 eine frische Dynamik in den Markt bringen wird. Die Einführung eines täglichen Newsletter Formats unter der Leitung von Gordon Repinski verspricht, den etablierten Akteuren Konkurrenz zu machen. Doch Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. „Politico“ wird sich aller Wahrscheinlichkeit als linksliberales Pendant zum eher bürgerlichen Gabor Steingart etablieren.

Die Nachricht von Michael Bröckers Wechsel von „The Pioneer“ zu „Table Media“ verdeutlicht wiederum, dass auch „Table Media“ sich als ernstzunehmender Wettbewerber etabliert. Es wird interessant sein zu sehen, wie Bröcker die “Table Media“-Produkte gestaltet und möglicherweise politischer ausrichtet.

So oder so beschreiben die Entwicklungen den Siegeszug des Deep Journalism (so Turner selbst) der sich darauf konzentriert, Themen in größerer Tiefe zu behandeln und von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Im Gegensatz zur oberflächlichen Berichterstattung, die oft nur die Fakten präsentiert, zielt ein Deep Journalism darauf ab, ein umfassenderes Verständnis für komplexe Geschichten und Themen zu liefern. Kürzlich verließen nun auch FAZ und SZ verlautbaren, dass sie ebenfalls dem Medientrend folgend in das Newsletter-Geschäft einsteigen werden.

Wer schlussendlich den Kampf um den Leser für sich entscheiden wird, ist noch nicht auszumachen. Zu hoffen bleibt, dass durch diese Entwicklung die Informationsqualität und der (Hauptstadt-)Journalismus gewinnt und die Qualitätsmedien retten wird. Denn gerade in derartigen Krisenzeiten, in denen wir uns befinden, ist die Verlässlichkeit von Fakten, Informationen und kritischer Berichterstattung auf hohem journalistischem Niveau unerlässlich und mehr als erforderlich.

An dem Slogan von Helmut Markwort „Fakten, Fakten, Fakten und an die Leser denken“ hat sich auch nach 30 Jahren nichts geändert.